Der verzweifelte Heimweg

Fahrender Bus

Lukas rutscht aufgeregt auf seinem Sessel hin und her und sieht immer zu auf die Schuluhr. Noch 10 Minuten, bis es endlich läutet und die Schule aus ist. Heute ist ein besonderer Tag für ihn, da er nicht von seiner Mama abgeholt wird, sondern zum ersten Mal allein mit dem Schulbus nach Hause fahren wird. Seine Eltern sind mit ihm zuvor genau durchgegangen, welchen Bus er nehmen soll und wo er aussteigen muss. Den 15er Bus muss er nehmen und beim Brigittaplatz soll er aussteigen. Von dort aus sind es nur noch 10 Minuten zu Fuß nach Hause. Den Weg von der Bushaltestelle ist er auch schon einige Male mit seinen Eltern gegangen, damit er sicher nach Hause findet. Lukas flüstert seinem Freund Paul stolz zu „Heute fahre ich allein mit dem Bus nach Hause, ich freue mich schon so.“

Nach einer gefühlten Ewigkeit läutet endlich die Schulglocke. Lukas schnappt sich schnell seine dicke Jacke, seine Haube und den Schal, da es draußen kalt ist und saust hastig hinaus zur Bushaltestation. Nach kurzer Zeit kommt auch schon der 15er Bus. Lukas winkt seinen Freunden zum Abschied zu und steigt in den Bus ein. Er bekommt gerade noch einen Platz, da der Bus sehr überfüllt ist und fragt sich, ob immer so viele Leute mit dem Bus fahren. Eine Reihe vor ihm sitzt eine Frau mit einem sehr niedlichen Hund, der etwas vor seinem Maul trägt. Der Hund ist braun gefleckt, nicht sehr groß, hat lange herunterhängende Ohren und wedelt immerzu mit dem Schwanz. Die Frau bemerkt, dass Lukas den Hund dauernd ansieht und spricht freundlich zu ihm „Das ist Flecky, ich habe ihn wegen seiner vielen Flecken so genannt.“ Lukas lächelt und fragt sie schüchtern:“ Was hat Flecky denn da auf?“ Die Frau gibt freundlich zur Antwort „Das nennt man Maulkorb, Flecky muss den im Bus aufsetzen, weil Hunde sonst nicht mitfahren dürfen.“ Lukas möchte daraufhin wissen „Beißt Flecky denn oft?“ „Nein, er hat noch nie jemanden gebissen. Aber wenn jemand Flecky aus Versehen im Bus auf seinen Schwanz treten sollte, weiß man nicht, wie er reagieren könnte.“ Die beiden reden noch eine ganze Weile miteinander über Flecky, als die Frau auf einmal sagt „Oh, das hier ist meine Haltestelle, jetzt hätte ich fast vergessen auszusteigen, tschüss und pass auf dich auf.“

Lukas sieht sich im Bus um, jetzt sind schon viel weniger Personen darin als zuvor. Nun sieht er auf dem Anzeigeschild im Bus, dass die nächste Haltestelle die „Hillerstraße“ ist. Lukas überlegt, die Haltestelle kommt ihm gar nicht bekannt vor. Als er aus dem Bus hinaussieht, erkennt er die Gegend nicht wieder. Die nächste Haltestelle ist auch nicht der „Brigittaplatz“, wo er aussteigen müsste, und die übernächste auch nicht. Daraufhin spürt er einen dicken Kloß im Hals und bekommt Panik. Lukas weiß nicht weiter und steigt panisch bei der nächsten Haltestelle aus.

Auch diese Gegend ist ihm alles andere als bekannt. Die Häuser hier hat er noch nie zuvor gesehen. Lukas weiß nicht, was er tun soll, ihm wird schwindlig, alles dreht sich um ihn. Jetzt beginnt es auch noch zu schneien. Nervös zieht er sich seinen Schal bis zur Nase hinauf und geht bei der Bushaltestelle ganz hektisch immer ein paar Meter nach links, dann wieder ein paar Meter nach rechts, dann wieder nach links und danach wieder nach rechts. Er weiß einfach nicht, was er machen soll. Seine Jacke ist inzwischen schon voller Schnee und die Nase durch die Kälte knallrot. Lukas sieht inzwischen ein bisschen wie ein Schneemann aus. Völlig nervös und verzweifelt fängt er nun zu weinen an.

Einen kurzen Augenblick später fährt der nächste Bus bei der Haltestelle ein. Der Busfahrer sieht Lukas weinend und mit leuchtender Nase auf der Bank sitzen, steigt sofort aus und erkundigt sich besorgt bei ihm „Hallo junger Mann, was ist denn los?“ Daraufhin antwortet Lukas mit weinerlicher Stimme „Ich kenne mich nicht aus und weiß nicht wo ich bin. Eigentlich sollte ich schon längst zu Hause sein“ Der Busfahrer sieht ihn freundlich an und fragt weiter „Wohin musst du denn genau?“ Lukas erklärt ihm, wie die Haltestelle heißt, bei der er hätte aussteigen müssen. Der Busfahrer klopft ihm nun tröstend auf die Schulter, lächelt ihn an und sagt „Mein lieber Junge, du bist vier Haltestellen zu spät ausgestiegen. Du kannst mit meinem Bus mitfahren, ich fahre bis zur Endstation, drehe dann um und zeige dir, wo du aussteigen kannst. Na komm, du brauchst nicht mehr traurig sein“. Lukas fällt nun ein Stein von Herzen. Erleichtert steigt er in den Bus ein.

Kurze Zeit danach klingelt das Handy von Lukas, das er für Notfälle von seinen Eltern bekommen hat. Er hatte es die ganze Zeit eingesteckt und vor lauter Panik vergessen. Am Telefon ist seine Mama, die ihn ganz besorgt fragt „Lukas, wo bist du denn so lange, ich mache mir schon Gedanken, du solltest längst zu Hause sein?“ Lukas erklärt ihr mit etwas heißerer Stimme, dass er gleich zu Hause wäre und ihr dann alles erzählt.

Endlich zu Hause angekommen nimmt er zuerst seine Mama fest in den Arm und erzählt ihr danach, dass er zu spät aus dem Bus ausgestiegen ist, deswegen völlig verzweifelt bei irgendeiner Haltestelle ausgestiegen ist, es dann auch noch zu schneien begonnen hat und ihm anschließend ein netter Busfahrer geholfen hat, nach Hause zu finden. Daraufhin setzen sich die Eltern am Abend mit Lukas zusammen an einen Tisch und reden mit ihm „Ach Lukas, genau für solche Fälle hast du ja dein Handy bekommen. Du hättest uns einfach anrufen können. Aber in so einer Situation denkt man vielleicht nicht gleich daran.“ Danach gehen sie mit ihm gemeinsam durch, was er das nächste Mal machen kann, wenn er wieder in einer ähnlichen Situation stecken sollte. „Vergiss nicht, du hast dein Handy, auf dem deine Mama oder ich immer erreichbar sind, wenn du dich nicht auskennen solltest. Bitte ruf zuerst immer uns an. Solltest du das Handy einmal nicht dabeihaben oder es funktioniert nicht, ist es ganz wichtig, dass du eine erwachsene Person, am besten eine Busfahrerin oder einen Busfahrer, um Hilfe bittest. Die helfen ganz bestimmt immer weiter, wie du auch heute gesehen hast. Wenn du noch in der Schule bist und den Bus verpasst hast, kannst du auch immer deine Lehrerinnen oder Lehrer bitten, dir zu helfen. Was du aber niemals machen darfst, ist, in ein fremdes Auto zu steigen oder mit einer fremden Person mitzugehen. Aber das weißt du ja natürlich.“ Lukas würde das niemals machen, möchte aber dennoch wissen, wieso er das nicht darf. „Weißt du Lukas, es gibt sehr viele fremde Menschen die nett sind. Aber dann gibt es auch fremde Personen, die keine guten Absichten haben und denen du nicht blindlings vertrauen solltest. Da du nie weißt, wer das ist, darfst du niemals, zu fremden Personen ins Auto steigen oder mit ihnen mitgehen. Du weißt auch, dass wir nie eine fremde Person schicken würden, die dich abholt. Entweder deine Mama, ich oder in Ausnahmefällen auch deine Tante Beate holen dich ab.“

Nachdem die Eltern mit Lukas das Thema ausreichend besprochen haben, sehen sie aus dem Fenster hinaus. In der Zwischenzeit hat es so viel geschneit, dass sich in ihrem Garten eine hohe Schneedecke befindet. Aufgeregt bittet Lukas seine Eltern darum, mit ihm gemeinsam einen Schneemann zu bauen. Diese sind vom Vorschlag ihres Sohnes hellauf begeistert. Blitzschnell ziehen sich die drei Handschuhe, Haube, Schal sowie Stiefel an und sausen ins Freie hinaus. Da sich der frisch gefallene Schnee besonders gut zum Bauen eignet, haben die drei in Windeseile einen stattlichen Schneemann mit zwei Steinen als Augen und einigen Ästen, die Mund und Arme darstellen, aufgestellt. Im Anschluss setzt Lukas dem Schneemann noch einen Hut auf. Begeistert meinen die Eltern „Toll sieht der Schneemann aus!“ Lukas ist allerdings noch nicht ganz zufrieden, läuft ins Haus hinein, um kurze Zeit später wieder mit einem alten Handy und einer alten Tasche wiederzukommen. Diese wird dem Schneemann umgehängt und das alte Handy in die Tasche hineingelegt. „So, nun hat auch Mister Schneemann ein Handy, damit er uns anrufen kann, falls er sich einmal verlaufen sollte und nicht mehr zurück findet. Die Eltern sehen Lukas zuerst sprachlos an und beginnen anschließend laut zu lachen. Auch Lukas muss jetzt lachen. Als die drei wieder ins Haus hineingehen, blickt Lukas noch kurz zum Schneemann hinüber. Durch den Schnee hat sich einer der Steine, der seine Augen darstellen soll, verschoben. Dadurch sieht es so aus, als würde der Schneemann Lukas zuzwinkern.

Am Abend denkt Lukas noch lange über seinen aufregenden Tag nach und wie leicht es doch passieren kann, abgelenkt zu werden. Jetzt weiß er aber, was er machen kann, wenn er sich wieder einmal verlaufen sollte.

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